Dem Alltagsverständnis zufolge bringt uns die Wahrnehmung in einen Kontakt mit der Wirklichkeit. Die Stabilisierung der Wahrnehmungsgewissheit ist tief im subjektiven Bildungsprozess verankert, hat sich alltagspraktisch bewährt und in der Sprache sedimentiert. Andererseits hat sich durch Erfahrungen kultureller Diversität und sozialer Differenz auch die Auffassung verbreitet, dass die Welt nur gleichsam durch die Brille spezifischer Herkünfte und Zugehörigkeiten wahrgenommen wird. Die Spannung zwischen realistischen und konstruktivistischen Interpretationen des menschlichen Weltbezugs bildet die Ausgangssituation, mit der sich die Beiträge zu dem Sammelband In Kontakt mit der Wirklichkeit. Interdisziplinäre Beiträge zur Situiertheit der Wahrnehmung auseinandersetzen. Ziel ist es, die Wahrnehmungsgewissheit des direkten Realismus zu verteidigen, ohne die berechtigten Einwände außer Acht zu lassen. Nicht nur der Begriff der Wahrnehmung wird dabei einer grundlegenden Prüfung unterzogen, sondern auch der Begriff der Wirklichkeit und mit ihm ein angemessenes Verständnis davon, als leiblich verkörperte Individuen in einer gemeinsam geteilten Welt zu sein.
In seinem Aufsatz untersucht der amerikanische Pragmatist John Dewey drängende Fragen: Alles, was Menschen erfahren können, ob in Alltag, Kunst oder Wissenschaft, trägt einen qualitativen Charakter. Welche Rolle spielt diese gefühlte, erlebte Dimension der Erfahrung für unser Denken und unsere sprachliche Verständigung über die Welt?
Die Ausgabe bietet den englischen Text, eine neue Übersetzung sowie ein Nachwort, das den Gang der Argumentation und die Wirkung des klassischen Aufsatzes bis in die Gegenwart nachzeichnet.
Erst durch das Teilen von Nähe verstehen Menschen sich zusammen mit dem nahen Anderen als Menschen und sind dadurch zum moralischen und menschlichen Handeln für den Anderen befähigt. Es besteht also ein Zusammenhang zwischen menschlichen Beziehungen – die wie die Menschen selbst endlich sind – und Moral, den etwa die kantische Konzeption des moralischen Subjekts als beziehungs- und umgebungsloses Wesen nicht kennt.
Entscheidend ist der Begriff der Beziehung, um zu verstehen, wie der Körper und das Selbst im Miteinander sich bilden. Denn die miteinander geteilte Nähe ist eine unumgängliche Beziehung: Sie ermöglicht es erst, menschlichen Lebenssinn und die Fähigkeit zur Moral körperlich zu verbinden. Das prägende Durchleben von Beziehungen des Teilens von Gegenwart besteht in einer gleichwertigen, augenblicklichen Nähe des Einen zum Anderen.
Das Verstehen der Kraft von Beziehungen ist, so zeigt Helmut Pape eindrücklich auf, mit dem Verstehen des Entstehens moralischer Fähigkeiten verbunden.
„Die Logik der Erfahrung“ stellt eine Systematisierung der wissenschaftsphilosophischen Gedanken der klassischen Pragmatisten (Charles S. Peirce, William James, John Dewey) dar.
Die pragmatistische Erfahrungstheorie sowie die Bestimmung des Verhältnisses von Theorie und Praxis bilden die Grundlage einer holistischen Wissenschaftsphilosophie, deren Aktualität durch die exemplarische Anwendung auf klassische wissenschaftstheoretische Fragestellungen gezeigt wird.
Feil, S. (2024). Pragmatismus als Theorie der Vorbegrifflichkeit. Schöningh, Paderborn: Brill.
Pragmatismus als Theorie der Vorbegrifflichkeit behandelt die Frage nach der Bedeutung des Außerhalbs des Begriffs für die Bedeutung von Begriffen. Alle Begriffe sind sowohl streng allgemeine als auch historisch bedingte Gebilde und dabei Dreh- und Angelpunkte der philosophischen Arbeit, die deren autonome Stellung einerseits verteidigt, andererseits in Frage stellt. Das Buch stellt die Probleme dar, die autonome Konzeptionen des Begriffs mit sich bringen, und setzt diese in Beziehung zur Möglichkeit, Begriffe durch ihre intentionale lebensweltliche Einbettung in der Praxis zu verstehen. Mithilfe des pragmatistischen Grundbegriffs der Gewohnheit wird ein vermittelnder systematischer Zugang zur spezifisch historischen Allgemeinheit von Begriffen entwickelt. Eine Darstellung der Bedeutung der entwickelten Theorie für die kulturwissenschaftliche Begriffsarbeit erfolgt anhand einer exemplarischen Analyse des kulturellen Vorbegrifflichen des wesentlich umstrittenen Begriffs der Literatur.
Articles
Feil, S. (2024): Peirce and Prejudice: Zeichen und Methode im Spiegel einer kulturwissenschaftlichen Hermeneutik. Semiotiken in den Kulturwissenschaften/Semiotics in Cultural Studies, herausgegeben von Nadja Gernalzick u. a., De Gruyter, 2024, 73–98. https://doi.org/10.1515/9783111001302-003.
Gajic, D. (2024): Rezension von: Roberto Gronda: Dewey’s Philosophy of Science. Cham: Springer Nature, 2020, 218pp. (Hardcover), ISBN: 978-3-030-37561-4. J Gen Philos Sci (2024). https://doi.org/10.1007/s10838-023-09665-2 (Open Access).
Honacker, A. (2024): Religion und Öffentlichkeit. In: Handbuch Religionsphilosophie, Hg. Heiko Schulz / Knut Wenzel / Christian Wiese, Stuttgart: Metzler (2024, im Erscheinen).
Honacker, A. (2024): Reconstructing Environmental Pragmatism: Meliorist Perspectives for a Damaged World. In: Pragmatism Today. Vol. 15. Issue 1 (Summer 2024), 10-22.
Honacker, A. (2024): No hope for mankind! Scheitern als Aufgabe des Menschen im Anthropozän. In: Mitscherlich-Schönherr, Olivia / Cojocaru, Mara-Daria / Reder, Michael: Kann das Anthropozän gelingen? Krisen und Transformationen der menschlichen Naturverhältnisse im interdisziplinären Dialog. Grenzgänge Bd. 4, Berlin: de Gruyter (2024), 221-239.
Jung, M. (2024): Nature Writing als wahrnehmungsbezogene Artikulation. In: In Kontakt mit der Wirklichkeit. Die Perspektivität verkörperter Wahrnehmung, Hg. M. Schlette und C. Tewes, 159–181. De Gruyter. https://doi.org/10.1515/9783111338453-010.
Loos, C. (2024): Kernenergie – all things considered? Zu den Akzeptabilitätsdimensionen ihrer zivilen Nutzung. In: Quante, M., Kahmen, A., Loos, C., von Groote-Gotzes, B. (Hg.) Energieverantwortung. Beiträge zu ethischen Grundlagen und Zuständigkeiten in inter- und transdisziplinärer Perspektive. Ethics of Science and Technology Assessment, vol 50. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-64989-3_9
Müller, M. (2024) Self-creation Without Natural Limits? On a Certain Blindness in Richard Rorty’s Anti-authoritarian Pragmatism. In: Human Affairs, vol. 34, no. 3, 2024, pp. 421-439. https://doi.org/10.1515/humaff-2023-0129
Schlette, M. (2024): Künstlerisches Handeln als Erkenntniskritik. Zur Wahrnehmungsphilosophie Konrad Fiedlers. In: In Kontakt mit der Wirklichkeit. Die Perspektivität verkörperter Wahrnehmung, Hg. M. Schlette und C. Tewes, 183–210. De Gruyter. https://doi.org/10.1515/9783111338453-011.
Viola, T. (2024): Direkte Wahrnehmung und Kulturwandel. Ein pragmatistischer Ansatz. In: In Kontakt mit der Wirklichkeit. Die Perspektivität verkörperter Wahrnehmung, Hg. M. Schlette und C. Tewes, 121–134. De Gruyter. https://doi.org/10.1515/9783111338453-008.
Viola, T. (2024): Philosophy of Culture: Naturalistic or Transcendental? A Dialogue between Edgar Wind and Ernst Cassirer. In: Edgar Wind. Art and Embodiment, Hg. Jaynie Anderson, Bernardino Branca, und Fabio Tononi, 101–123. Oxford: Peter Lang.
Viola, T. (2024): The Philosophical Relevance of Peirce’s Historical Studies. In: The Oxford Handbook of Charles S. Peirce, edited by Cornelis de Waal, 0. Oxford University Press. https://doi.org/10.1093/oxfordhb/9780197548561.013.39.
Wortmann, K. und A. Ohnesorge. (2024): Erfahrungslernen in der Lehrer*innenbildung: Pragmatistische und phänomenologische Perspektiven auf die Gestaltung von Erfahrungsmöglichkeiten in Schule und Hochschule. In: Design your Education! Eine Hochschullernwerkstatt als Impulsgeber der Veränderung von Lernkulturen im Lehramtsstudium, hg. von Sandra Tänzer, Marcus Berger, Isabell Tucholka und Gerd Mannhaupt. Weinheim: Beltz Juventa, 42-52.